Der letzte Sontag in China. Am Mittwoch geht’s wieder nach Hause. Und obwohl es mir hier sehr gefällt, freue ich mich jetzt, nach mittlerweile 3 Monaten, endlich nach Hause zu kommen. Vor allem nach der letzten Woche, denn da durften wir fasten. Und für mich als bekennenden Genußesser ist das nicht wirklich ein Vergnügen. Aber es war wieder eine interessante Erfahrung. Ich konnte letztes Jahr in Mexiko bei einer Visionssuche das erste Mal mit Fasten Erfahrungen sammeln, aber das war anders als hier.
Das Fasten hier wurde begleitet von daoistischen Techniken, die es wesentlich erleichterten. Wir lernten eine Technik, mit der man Qi „essen“ kann. Und eine Meditation, mit der man Energie über die Haut aufnimmt. Das Ziel ist, komplett ohne Nahrung auszukommen. Und obwohl es ziemlich schräg klingt, ist es möglich.
Unsere Fastenzeit dauerte zwar nur 5 Tage, wovon die ersten 2 ein ziemlich drastisches Reduzieren waren, aber man konnte die Veränderung im Körper gut wahrnehmen. Ich habe ein sehr kurzes Tagebuch geführt, um mich später daran zu erinnern:
Tag 1.
Heute beginnt für uns die Fastenzeit. Insgesamt sind 7 Tage vorgesehen, wobei wir die ersten 2 Tage zum Eingewöhnen haben. Das heißt, wir bekommen Suppe und Kompott. Zum Frühstück Apfelkompott mit Ingwer, zu Mittag dasselbe. Am Abend die Fastenvariante einer Gemüsesuppe, Karotten in heissem Wasser. Ohne Gewürze. Aber immer noch besser als nichts. Der Tag verläuft wie immer, der Hunger hält sich in Grenzen.
Tag 2.
Ich habe ausgezeichnet geschlafen. Zum Essen gab es das Gleiche wie gestern, auch der Hunger hält sich in Grenzen. Ein bisschen “diesig“, aber sonst alles normal. Nur ein bisschen verkühlt, gestern habe ich wallsquats im Freien gemacht, war verschwitzt und der Wind hat geblasen. War sowieso nicht sehr klug, jetzt in der Fastenzeit wallsquats zu machen, aber man lernt nie aus. Die Stimme ist dadurch ein bisschen pubertär und da ich die abendliche Stehmeditation leite, haben es die anderen wenigstens lustig mit mir.
Tag 3.
Wieder gut geschlafen. Heute ist der erste Tag komplett ohne Essen. Es geht mir ziemlich gut, nur der Schnupfen nervt. Beim Mittagsspaziergang spüre ich in den Füßen leichten Unterzucker. Auch bin ich müde, aber ok. Während einer Meditation eingeschlafen. Am Abend die erfreuliche Meldung, dass wir nur 5 Tage fasten.
Tag 4.
Nicht so gut geschlafen. Fühle mich schwach heute. Absolut keine Energie. Ich fange nach ein paar Stufen an, schwer zu atmen. Keine Lust auf gar nichts, auch kein Hunger. Das Meditieren fällt mir ziemlich schwer, und obwohl ich keinen Hunger habe, wandern meine Gedanken immer wieder zum Essen.
Tag 5.
Schlaf war ok. Merke, dass meine Energie wieder zurück kommt. Fühle mich ziemlich gut. Habe zum ersten Mal das Gefühl, dass das „Qi-Essen“ funktioniert. Fühle mich dadurch gestärkt und kann mir vorstellen, nichts mehr zu essen. Was ich aber vermisse, ist der Geschmack von verschiedenen Mahlzeiten. Einige aus unserer Gruppe haben angefangen zu essen, da ihnen das Fasten zu schwer fällt. Beim Zusehen bekomme ich auch Hunger, vor allem, da ich weiß, dass wir morgen wieder langsam mit Essen anfangen. Aber es macht eigentlich keine Mühe, weiter zu fasten. Freue mich aber trotzdem auf das morgige Frühstück.
Tag 6.
Heute ist Schluss mit Fasten. Das Frühstück ist ein unglaublicher Genuss, obwohl nur ein Reisbrei und gekochtes Gemüse. Es wird mir wieder bewusst, wie wichtig auch der soziale Aspekt des gemeinsamen Essen ist. Die meiste Kommunikation in der Gruppe findet während den Mahlzeiten statt. Gefühlt haben wir uns in der gesamten letzten Woche nicht so gut und intensiv unterhalten wie bei diesem ersten Frühstück.
Mittlerweile ist Sonntag und ich sitze hier nach einem ausgezeichneten Frühstück (wenn mir jemand vor 3 Monaten gesagt hätte, dass ich eine Reissuppe und ein hartes Ei ohne Salz als ausgezeichnetes Frühstück bezeichne, hätte ich ihn ausgelacht) mit einer Schale Instantkaffee und genieße den Morgen, während ich diese Zeilen tippe.
Die letzte Woche war voller interessanter Erfahrungen. Die körperliche Schwäche in den ersten Tagen lässt mich erahnen, wie es vielleicht in 30 Jahren oder später sein wird, wenn man sich die Stiegen hochkämpft. Mental gab es in den verschiedenen Mediationen sehr tiefe Begegnungen mit dem eigenen, wahren Ich (True self – Daoismus). Und, wenn auch nur im Ansatz, zu spüren, dass es möglich ist, von „Licht“ zu leben, ist ebenfalls spannend. Wobei für mich eine gute Mahlzeit noch spannender ist ?.
Ich werde nächsten Sontag von zu Hause aus noch einmal einen Betrag schreiben mit ein paar Videos. Von hier aus geht es mit unserem Wlan nicht wirklich. Also vielleicht bis zum nächsten Mal.