Eine Reise zur Issenanger Alm eröffnet neue Blickwinkel abseits der pandemischen Lebensrealitäten und wird zur Grenzerfahrung der ganz besonderen Art.
Schritt für Schritt, Wort für Wort, Satz für Satz muss ich sie neu zusammenfügen, die vielen Teilchen meiner Selbst vor mir ausbreiten und sortieren – meine Erinnerungen neu erforschen. Das Leben in den Bergen weitet den Blick, so sagt man. Und so eröffneten auch die Tage in den Tiroler Bergen neue Horizonte, die sich tief in das Gedächtnis einschrieben.
Am Anfang war die Dattel
Wie im Traum ziehe ich von dannen, schläfrig, mit kurzem Blick – verloren am Hauptbahnhof in Wien. Das klingt wie der Anfang einer wilden Safari… im Grunde genommen ist es das auch. „Lass uns Datteln kaufen!“, unterbricht meine Reisebegleiterin Johanna jäh meine Tagträumereien. Also begeben wir uns auf die Suche nach den verheißungsvollen Früchten und ergründen ein letztes Mal die Tiefen des Supermarkts. Gut gerüstet steigen wir schlussendlich in den Zug nach Innsbruck.
Errare humanum est!
Ein wilder Taubenschlag bei Doris und Ivo Siebenförcher – nach und nach trudeln unsere Qigong-Freunde in Innsbruck ein. Dann geht es aufwärts in die kleine Oase fernab des Stubaitals. Wir wandern den Besinnungsweg entlang – und verirren uns prompt. Wir, das sind Johanna und meine Wenigkeit. „Wir sind auf dem richtigen, falschen Weg“, höre ich mich selbst sagen – das macht zwar wenig Sinn, schafft aber dennoch Zuversicht in einer scheinbar ausweglosen Situation. Es scheint, als würde die Höhenluft meine kognitiven Fähigkeiten zunehmend einschränken. „Irren ist Menschlich“ erhält da eine ganz eigene Bedeutung. Irgendwie finden wir schlussendlich doch noch zur Alm – das Abenteuer kann beginnen.
Dem Himmel, ach, so nah
Nach einer durchzechten Nacht am Lagerfeuer und einer besonderen Form der Konfrontationstherapie auf dem Plumpsklo, währenddessen sich mir die Blicke der Kühe durch die Ritzen der Holzbohlenwände unwillkürlich aufdrängen, folgt eine Stunde Qigong inmitten der Natur. Unter unseren Füßen das saftige Gras, beugen wir uns der Sonne entgegen, die hinter den Gipfeln ihre ersten Strahlen auf die Bergwelt wirft – ein Erlebnis, das noch heute in mir nachhallt. Währenddessen ist Uli, unser Fotograf, auf seiner ganz eigenen Mission: Er sucht den Dachs. Da geht er, und wie er geht! Er geht überraschend, leichtfüßig – fast tänzerisch bewegt er sich mit seinem massigen Körper und weckt ein neues Lebensgefühl, das auch uns zunehmend beschleicht.
Von kurzen und langen Ketten
Zwischen Wanderungen zu erquickenden Wasserfällen und idyllisch gelegenen Almhütten, wird eine hitzige Diskussion entfacht, die man wohl zusammenfassend als eine „Kettenreaktion“ bezeichnen kann. Nur Ivo ist von der Nordkette – aber das macht nichts, denn Stefanie kommt ihm zu Hilfe: Aus den Tiefen ihrer Vorratskammer kramt sie Knabbereien aus langkettigem Zucker hervor. Genau genommen handelt es sich hierbei um langkettige Kohlenhydrate, denn Zucker ist nicht gleich Zucker! Andächtig verzehren wir das Gebäck und begreifen: Nichts ist, wie es scheint. Immer weiter tauchen wir ab in die Tiefen unserer Erlebniswelten – breiten die Arme nach den Bergen aus, ergründen die Stille der Natur und befinden uns doch inmitten einer tosenden Meeresbrandung.
Auf dem Boden der Tatsachen
„Was auf der Alm passiert, bleibt auf der Alm“, so heißt es. Ein letztes Mal lugt der Dachs aus dem Dickicht hervor – dann huscht er schwuppdiwupp in den Wald. Auch für uns heißt es nun Abschied nehmen: Ein letzter Blick zurück, dann geht es wieder hinunter ins Tal. Leer und doch nicht leer, wie Doris zu sagen pflegt. Wir sind erfüllt von einem großen Gefühl, das sich tief in unsere Herzen geschrieben hat. Ein letztes Mal öffnet Spock die Luke des Raumschiff Enterprises – beglückt von unserem Ritt über die Milchstraße schweben wir auf unsere Planeten hinab. Noch etwas benommen finden wir uns auf dem Boden der Tatsachen wieder und denken: Heute ist nicht aller Tage – wir kommen wieder, keine Frage!
Haola, eure Yoko
Danke, Yoko, dass du unser Qigong Wochenende nochmals revue passieren hast lassen. Sehr anschaulich und humorvoll.
… keine Frage, wir kommen wieder. 🙂
Liebe Doris, es war wirklich etwas ganz besonderes! Der nächste Sommer kommt bald! ☺️👍